Dank finanziellem Druck zu unternehmerischem Erfolg

Kann man ohne Druck eine unternehmerische Idee zum Fliegen bringen? Ich bin nicht sicher, ob ein Projekt ohne Druck gelingen kann. Jedenfalls schaffe ich es meistens erst, wenn ich wirklich muss. Gerade wenn Geld in einem Projekt vorhanden ist, scheint selten ein langfristig tragendes Geschäftsmodell zu entstehen.

Bestimmt gibt es über den Zusammenhang von Druck und Erfolg schon Theorien und Studien (gerne Kommentare hinterlassen, falls ihr solche kennt). Ich habe während der Blog-Challenge nicht die Zeit für ausführliche Recherchen. Aber ich kann über meine persönlichen Erfahrungen schreiben.

Bequemes Grundeinkommen als Lehrer

Über die letzten Jahre hatte ich neben meiner Selbständigkeit immer noch eine Anstellung als Lehrer an einer Berufsschule. Die Anstellung war nur noch 20% (4-5 Lektionen pro Woche). Alleine mit diesem Pensum erhielt ich einen Monatslohn von rund CHF 2'200 (brutto). Mit dem 13. Monatslohn sind dies CHF 28'600 (brutto) und nach allen Abzügen immer noch rund CHF 24'000 (netto) pro Jahr. 🤑 Ja, Lehrer verdienen gut an Gymnasien oder Berufsschulen. Und erst noch ohne unternehmerisches Risiko: Man ist als Lehrer quasi unkündbar, während die Unterrichtsqualität nebensächlich ist, da die Kunden (Lernenden) sowieso kommen müssen. 🙈

So war es auch für mich angenehm, ein Grundeinkommen von der Schule zu haben, während ich daneben meine unternehmerischen Abenteuer starten konnte (dafür bin ich der Schule auch dankbar). Da meine Frau und ich möglichst günstig leben, keine Hypothek und kein Auto haben, kaum teure Ferien machen und (leider) auch keine Kinder haben, brauchen wir kein riesiges Einkommen. Ich konnte also sehr viel Zeit in Pionierprojekte oder in ehrenamtliche Arbeit investieren.

Es ist Zeit loszulassen und durchzustarten

Dieses Jahr ist jedoch anders. Ich habe gemerkt, dass es Zeit ist, meine Anstellung an der Berufsschule aufzugeben. Nicht der einzige, aber durchaus ein wichtiger Grund für meine Kündigung war, dass ich mich vom bequemen Geldstrom und der Ablenkung durch den wöchentlichen Unterricht lösen wollte. Ich wollte mich selbst stärker unter Druck setzen, dass ich mit meinen unternehmerischen Projekten richtig durchstarten muss 🚀.

Und der Druck kam, denn das Geld wurde wirklich knapp. Ich konnte mir Ablenkung und alles, was sonst noch so toll wäre, gar nicht mehr leisten. Der Fokus auf die wesentlichen Projekte half sehr.

Ich musste auch Dinge loslassen und abgeben, was den zusätzlichen Effekt hatte, dass es Raum gegeben hat für andere und Teams wachsen konnten.

Woran arbeite ich im Moment?

Viele, inklusive mir selbst, fragen sich, was ich eigentlich mache. Hier mal eine Liste meiner aktuellen Projekte (alles mit ✔️ ist dieses Jahr und mit etwas Druck passiert):

  1. YOLU
    • Digitale Dienstleistungen
    • Wir sind auch die Geschäftsstelle für einen neuen Lehrbetriebsverbund, der Lehrstellen anbietet im Coworking Space.
    • ✔️ Neue Firma, gegründet mit Joris für digitale Dienstleistungen.
    • ✔️ Erste IT- und Programmier-Aufträge sind eingegangen
    • ✔️ Finanzierung für den Aufbau des Lehrbetriebsverbundes ist sichergestellt
    • ✔️ Netzwerk aus Partnerbetrieben ist aufgebaut
    • ✔️ Erste Lehrverträge für Mediamatiker werden unterzeichnet
  2. Benjibooks
    • Buchungsplattform für Räume.
    • ✔️ Firma “Booking Services” gegründet mit Benji
    • ✔️ Neue Kunden gewonnen
  3. Colearning.org
    • Bewegung von Leuten, die sich selbst als Colearner verstehen und Raum schaffen für das Lernen als natürlichen Bestandteil von Leben und Arbeit.
    • ✔️ Neues Team für Colearning Bern (Jugendliche und Erwachsene)
    • ✔️ Neues Team für Lernunternehmen Pilzfarm
    • ✔️ Neues Team für Colearning.org
    • ✔️ Treffen zur Koordination
  4. Lernblog
    • Lernen für sich und für andere sichtbar machen via Lernblogs und Lernblog-Plattform.
    • ✔️ Neue Lernblogger
    • ✔️ Neue Kunden für Lernblog-Plattform
  5. Effinger – Kaffeebar & Coworking Space
    • Meine Freunde, meine (unternehmerische) Heimat
    • ✔️ Hauptsächlich ehrenamtliches Engagement als Effianer
    • ✔️ Nach Liquiditätsengpass (Corona) und Erweiterung auf eine vierte Etage, sind wir wieder auf kurs. Ich konnte mein Engagement auf ein normales Mass reduzieren.
  6. Beratungsmandate
    • Dorfentwicklung, Schulentwicklung, Community-Building, Partizipation, Kommunikation, Digitalisierung, etc.
    • ✔️ Neue Kunden gewonnen

Fokus?

🤯 Ja, ich weiss, die lange Liste sieht nicht nach Fokus aus! Aber es ist tatsächlich für mich eine klare Struktur reingekommen. Etliche Aufgaben haben andere übernommen und bei den meisten Projekten kann ich mir einen Lohn auszahlen. Zum Leben reicht es und vielleicht kann ich zwischendurch auch mal über Altersvorsorge nachdenken (sollte man als Selbständiger im Auge behalten).

Manchmal gelingt ein Durchbruch nur, wenn es irgendwo eng wird.

Ist es also sinnvoll, sich unter (finanziellen) Druck zu setzen? Ich bin sonst ein Befürworter von unternehmerischen Vorhaben, die man Schritt für Schritt neben einer Anstellung aufbaut (Günter Faltin lässt grüssen). Doch manchmal gelingt ein Durchbruch nur, wenn es irgendwo eng wird. Es war schwierig und ist es zum Teil immer noch. Aber ich bin froh, dass ich diesen Weg eingeschlagen habe.


Titelbild: Erstellt mit Hilfe von Dall-E (“an illustration of an exploding water pipe, digital art”)