Häkeln - ein Lernabenteuer

Um etwas Neues zu lernen, muss man manchmal etwas wagen. Warum sich also nicht mal wieder in eine völlig ungewohnte Herausforderung stürzen und zum Beispiel einen Schal häkeln?

Bei einem Community-Treffen im Effinger hat Anja alias Karla Moll begeistert vom Häkeln und Ihren Häkelanleitungen erzählt und die Anleitungen zu Testzwecken verteilt. Kurz hatte ich den Gedanken, ich könnte doch einen tollen Schal zum Geburtstag von Isabel, meiner Frau, häkeln.

Ich verwarf den Gedanken wieder mit den üblichen Ausreden, dass ich keine Zeit dafür hätte und es auch überhaupt nicht könnte. Doch in der Runde ist mir der Gedanke für den Schal irgendwie rausgerutscht und plötzlich gab es kein Zurück mehr. Mit etwas Zuspruch von Simona, welche damit schon mehr Erfahrung hat, nahm ich zumindest mal die Anleitung mit.

Verstehe gar nix

Anja hat mir zwar versichert, dar Schal sei ganz einfach zu häkeln, aber ich verstand kaum ein Wort: Luftmasche, Stäbchen, irgendwelche unbekannten Zeichen. Bestimmt würde ich mit etwas Internetrecherche und YouTube mehr darüber herausfinden. Aber so einfach war das gar nicht.

Häkelmuster mit Luftmasche, festen Maschen und Stäbchen. Ich verstehe nichts davon.
Häkelmuster mit Luftmasche, festen Maschen und Stäbchen. Ich verstehe nichts davon.

Die Herausforderung und der Gedanke, dass ich Isabel ein unerwartetes Geschenk machen könnte, liessen mich plötzlich nicht mehr los.

Wolle und Häkelnadel in tausend Varianten

Ich dachte, ich könnte ja mal beim empfohlenen Wolle-Shop Anna & Juan schauen, ob ich die schöne Merinowolle finden würde. Schon dort bin ich gescheitert: “Merinowolle, Lauflänge 105m/100g. Hä?”. Ich wusste nicht, wie ich diese Zahlen verstehen soll. Und dann war ausgerechnet noch die empfohlene Wolle ausverkauft.

Also schrieb ich dem Shop in Zürich, ob sie mir was Ähnliches anbieten könnten. Sie schreiben zurück:

“Wir produzieren die spanische Merino nicht nach, lancieren aber Ende Monat unser eigenes Garn in den Stärken 5 - 6 mm und 3 - 4 mm. Gefärbt ist bereits ein Limettengelb (farblich in diese Richtung, aber mit etwas mehr Grünstich). Wenn Du ein warmes Gelb möchtest, kann ich das färben. Das dauert aber zwei, drei Wochen.”

Blöd. Einerseits, weiss ich nicht, welche Stärke ich brauche, damit mein Strickrezept noch funktioniert und geschweige dann, welche Nadel dazu passt. Und Limettengelb passt mir nicht und die Wartezeit für das Färben heisst, dass es sehr knapp wird mit dem Geburtstag. Ich frage mal Anja, was sie mir empfiehlt.

Frisch gefärbt

Anja und die Mitarbeiter vom Wolle-Shop haben mich extrem geduldig unterstützt und so entscheide ich mich für das warme Gelb, welches halt erst noch gefärbt werden muss. Sie schreiben nach zwei Wochen:

“Aufgrund der Wassereigenschaften bei unserem neuen Standort wurde das Ganze sehr intensiv und klar, ist aber vielleicht nicht, was Du suchst? Ich würde es als Kurkumagelb bezeichnen.”

Frisch gefärbte Wolle von Anna & Juan. Neu in Kurkumagelb.
Frisch gefärbte Wolle von Anna & Juan. Neu in Kurkumagelb.

Super. Mir gefällts. Ich bestelle die empfohlene Menge und gleich eine Nadel dazu.

Beste Unterstützung

Ich muss schon sagen, ohne Anja, die persönliche Häkel-Mentorin, hätte ich überhaupt keine Chance gehabt. Ich würde mich zwar als Internet-Such-Profi bezeichnen, aber wenn einem die Worte fehlen für das, was man finden möchte, ist es sehr schwierig.

Anja war skeptisch, ob die von mir gewählte Nadel passen würde. Sie hat sich das gleiche Garn besorgt und damit extra für mich ein paar Tests gemacht. Wow!

Anja, die Häkel-Mentorin macht ein paar Tests, um die optimale Nadel zu finden.
Anja, die Häkel-Mentorin macht ein paar Tests, um die optimale Nadel zu finden.

Sie schreibt:

Ich habe einen Versuch gemacht mit doppeltem Garn (9mm Häkli). Dann habe ich einen Versuch mit einfachem Faden und dem 7mm Häkli gemacht und fand das eigentlich auch gut. Entscheide selbst, was wohl deiner Frau besser gefällt, feiner oder gröber. Für dich gibt das feinere mehr Arbeit, dafür ist es schon einfacher mit nur einem Faden zu häkeln.

Da ich schon am Limit meiner Fähigkeiten bin, entscheide ich mich für die einfachere Variante mit einem Faden.

Der Start

Die Wolle ist da. Aber schon das Öffnen des Knäuels ist gar nicht so einfach, da ich schon Angst habe, es würde sich gleich das Ganze verknoten. Ich kriege es aber hin.

Die Wolle am Strang.
Die Wolle am Strang.

Zuerst sollen es Luftmaschen sein. Ich schaue bei YouTube nach, wie das geht.

Häkelerklärungen auf YouTube.
Häkelerklärungen auf YouTube.

Ok, das klappt nicht schlecht mit den Luftmaschen, obwohl ich später merken werde, dass ich mich natürlich bei den über 200 Maschen verzählt hatte.

Eine Fremdsprache

Schwierig wird dann der Rückweg. Jetzt sollen es Stäbchen und feste Maschen in einem Muster sein. Irgendwie sehe ich noch keine Struktur. Es kommt mir so vor, wie wenn ich eine unbekannte Sprache zum ersten Mal höre und noch überhaupt nichts erkenne. Aber ich weiss, dass man diesen Moment aushalten muss und irgendwann gewöhnt sich das Gehör daran und man beginnt, erste Muster zu erkennen. Darauf hoffe ich auch beim Häkeln.

Was ich allerdings nicht weiss und wobei mir auch YouTube nicht hilft, ist, ob ich beim Einstechen in die festen Maschen jeweils um 1, 2 oder 3 Schnüre häkeln soll. Ich entscheide mich für Variante 2. Nach einer Reihe denke ich, dass 3 Schnüre deutlich einfacher gewesen wäre, weil das Loch für 2 Schnüre jeweils mühsam klein ist. Das muss ich aber jetzt wohl durchziehen.

Die ersten Reihe.
Die ersten Reihe.

Konsequent falsch ist auch ein Muster

Für mich gilt die Devise: Wenn ich was falsch mache, dann wenigstens konsequent falsch. Bestimmt erhalte ich dann auch irgend ein Muster und vielleicht fällt es am Schluss dann gar niemandem auf, dass es hätte anders sein sollen.

Ich bin in einem Hoch und häkle langsam aber stetig drauf los. Aber das Schlimmste kommt erst noch.

Der Tiefpunkt

Die Zeit wird knapp. Ich warte jeweils bis Isabel im Bett ist und nehme dann die Häklerei hervor. In einer der Nächte, um 3 Uhr, merke ich, dass ich beim Abwickeln der Schnur irgendwie ein Durcheinander produziert habe. Von 3-4 Uhr versuche ich die Knoten zu lösen. Nicht wirklich erfolgreich, wie man auf diesem Bild sieht.

Desaster mit der Wolle. So ein #!@?!&$!
Desaster mit der Wolle. So ein #!@?!&$!

Normalerweise bin ich recht geduldig. Aber um 4 Uhr in der Nacht mit der verknoteten Wolle quer durch das Zimmer, bin ich richtig genervt!

Schliesslich greife ich zur Schere. Ich habe Angst, ob ich es schaffe, die Schnur wieder neu anzusetzen.

Musste die verknoteten Teile rausschneiden.
Musste die verknoteten Teile rausschneiden.

Später finde ich heraus, dass ich das Garn, welches ich “am Strang” erhalten hatte, hätte zu einem Knäuel wickeln sollen. Was für ein Anfängerfehler!

Beim zweiten Strang wickle ich es zuerst zu einem Knäuel - wie es sich gehört.
Beim zweiten Strang wickle ich es zuerst zu einem Knäuel - wie es sich gehört.

Endspurt

Die Zeit wird knapp. Und da ich vor dem Geburtstag von Isabel noch drei Tage auf eine Weiterbildungsreise gehe, bin ich gezwungen, meine Häkelarbeit einzupacken. Bei jeder möglichen Gelegenheit im Zug, bei Vorträgen und Pausen häkle ich weiter. Die anderen Teilnehmer haben sich ziemlich amüsiert…tja.

Mein Häkel-Reiseset.
Mein Häkel-Reiseset.
Häkeln bei jeder Gelegenheit, um rechtzeitig fertig zu werden.
Häkeln bei jeder Gelegenheit, um rechtzeitig fertig zu werden.

Das Resultat

Am letzten Tag wurde ich fertig. Zum Glück war Simona dabei und konnte mich noch beim Abschluss beraten.

Endlich konnte ich den Schal an Isabel überreichen. Sie hat es zuerst nicht geglaubt, dass ich das tatsächlich selber für sie gemacht hätte. Sie hat sich auf jeden Fall gefreut.

Der fertige Schal. Es hat sich gelohnt.
Der fertige Schal. Es hat sich gelohnt.

Ich hätte echt nicht gedacht, dass es für mich eine solche Herausforderung werden würde. Aber sind nicht genau das die (Lern-)erfahrungen, die das Ganze umso reicher machen. Ob ich jetzt weiter häkeln werde? Vielleicht. Doch vorerst brauche ich eine Pause.

Ich kann es aber wärmstens empfehlen (einfach den Anfängerfehler nicht machen!). Und ich habe selten so eine wohlwollende Unterstützung erlebt, wie von der Häkel-Community.

Speziellen Dank an Anja! Wer sich auf ein Häkel-Abenteuer begibt, sollte sich unbedingt bei ihr melden unter mailto:mollemolle@wohnschiff.ch. Die verfügbaren Testanleitungen kannst du auf Instagram von MolleMolle sehen. In den nächsten Monaten wird Anja noch weitere Testanleitungen aufschalten.